Was ist los in Bern?
Die Bern Grizzlies waren während der Offseason schon immer eine sehr stille Organisation. Es drangen kaum Informationen nach aussen, man wusste selten, wer nun wo spielen würde. Und auch Veränderungen in der Organisation wurden kaum zur Kenntnis genommen bzw. sie wurden nicht kommuniziert. 2023 wollten die Grizzlies einige “Kracher” präsentieren… so zumindest vermittelten es ihre Insta-Posts… und krachen tut es wirklich. Aber möglicherweise nicht so, wie man sich das vorgestellt hätte.
Es kracht – aber nicht wie geplant
Es war klar: Mit der Gründung der Helvetic Guards könnte der Kader des Schweizermeisters aus Bern in den Fokus des Neulings in der ELF geraten. Auf der Suche nach den besten Spielern des Landes muss man die Spielerliste des Meisters prüfen. Und genau das ist passiert. Die Helvetic Guards haben kräftig in Bern zugelangt und bereits 16 Spieler mit Berner Vergangenheit verpflichtet, darunter mehr als ein Dutzend aus dem letztjährigen Meisterkader – die übrigen haben auch eine Grizzlies-Vergangenheit.
Zu Beginn dürfte man in Bern die vielen Abgänge zu den Guards möglicherweise noch als Erfolg verbucht haben, schliesslich hat man offensichtlich die besten Spieler der Schweiz in Bern im Team. Doch so langsam werden die Transfers doch bedrohlich. Die bekannten Abgänge übersteigen die Dutzendmarke. Zusammen mit den öffentlich angekündigten Rücktritten dürften bereits 18 Spieler aus dem Meisterteam in der Saison 2023 nicht mehr für die Grizzlies antreten.
Grosse Veränderungen auch im Coaching Staff
Vor wenigen Tagen teilte Head Coach Armand Mensen via Twitter seinen Rücktritt aus dem Football-Geschäft mit.
After 22 years of football, I’m officially #retiring.
I started when I was 16 with the @pioners Junior team in Barcelona; went to Edinburgh to play with the @EdinburghWolves and @NapierKnights and then came to Switzerland in 2006 to hang out with @BernGrizzlies. pic.twitter.com/SRzFRo3KCM
— Armand Mensen (@ArmandMensen) January 4, 2023
Auf Anfrage bestätigte Armand Mensen den Tweet und machte diverse Gründe für seinen Rückzug bei den Bern Grizzlies geltend. Von Seiten der Grizzlies wurde diese wichtige Personalie nicht kommuniziert.
Was schon länger vermutet wurde, war der Abgang des langjährigen Juniorencoaches John Jordan. Er ist seit vergangenem Herbst nicht mehr Teil der Berner Organisation und ist neu im Staff der Thun Tigers. Auch diese Veränderung wurde nicht kommuniziert.
Dann wurde ein weiterer Abgang aus dem Coaching Staff der Berner bekannt. John Falk, der 2022 zum Coaching Trio mit Armand Mensen und Quarterback Clark Evans gehörte, versucht sich 2023 noch einmal als Spieler: Ebenfalls bei den Helvetic Guards. Falk machte keinen Hehl daraus, dass er zurück aufs Feld will und er sich in der ELF umschaut. Nun ist klar, dass er für die Schweizer Franchise auflaufen wird.
Clark Evans verlässt die Grizzlies
Und nun hat sich auch Clark Evans entschieden die Bern Grizzlies zu verlassen. Auf Nachfrage hin bestätigte er seinen Abgang und deutete an, ähnlich wie Mensen, dass es im Führungsteam zwischen Vorstand und Coaching Staff unterschiedliche Auffassungen über die Führung des Traditionsvereins gegeben hätte. Ob Evans in diesem Jahr für ein anderes Team auflaufen wird, lässt Evans offen. Teams, welche sich für einen Spieler von seinem Format interessieren könnten, dürfte es genügend geben.
Bern im Umbruch
Offensichtlich war der Himmel in Bern schon länger bewölkt – Meistertitel hin oder her. Im Herbst gab es einen grossen Wechsel im Vorstand. Von acht Vorstandsmitgliedern zogen sich sechs zurück, darunter der Präsident, Vizepräsident und Geschäftsführer. Der neue Vorstand besteht noch aus fünf Personen, wobei Präsident, Vizepräsident und die Geschäftsführung neu besetzt wurden. Die neue Führungscrew sieht sich offensichtlich mit Herausforderungen in den verschiedensten Bereichen konfrontiert und vieles muss nun neu geordnet werden.
In einem längeren Telefongespräch erklärte der neue Grizzlies-Präsident Marc Walker die Situation ganz ohne zu beschönigen. Walker bestätigte, dass es zwischen dem Vorstand und der sportlichen Leitung bei den Coaches unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Vorgehensweisen und künftigen Ausrichtung gab.
Dies dürfte mit ein Grund für die grossen Veränderungen in der Clubführung gewesen sein – aber nach dem Wechsel schien sich die Lage nicht spürbar verbessert haben. Die Konsequenz ist eigentlich logisch: “Unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich Strategie etc.” führt in der Geschäftswelt eigentlich immer zur Trennung.
Anziehungskraft der Helvetic Guards wurde unterschätzt
Walker erklärte, dass man nicht damit gerechnet hätte, so viele Spieler an die Guards zu verlieren. Wobei man auch wenig Möglichkeiten gehabt habe, diese zu verhindern. Man sei auf wichtigen Positionen nun deutlich geschwächt, ergänzt Walker. „Es werden ganz andere Grizzlies sein im 2023“. Es scheint unwahrscheinlich, dass die Grizzlies nur annähernd eine Chance haben werden ihren Titel von 2022 zu verteidigen.
Coaching Staff muss neu aufgebaut werden
Es muss nun sehr rasch ein neuer Coaching Staff gebildet werden. Mit der Verpflichtung von Daniel Schönet als Defense Coordinator ist nach Aussage der Grizzlies der erste „Kracher“ geglückt. Schönet kommt von den Vienna Vikings (war dort ELF Spieler) bzw. Graz Giants und wird DC im NLA-Team sowie auch im Nachwuchs.
Diese Meldung kam aber noch vor dem Rücktritt von Evans als Offensive Coordinator und Quarterback. Dessen Lücke ist enorm und die Zeit bis zum Saisonstart ist kurz. Es ist nicht unmöglich einen US-Quarterback innert acht Wochen zu verpflichten. Aber wenn noch ein Playbook installiert werden muss, dürfte das sehr herausfordernd werden. Auch hier spüren alle Schweizer Vereine, dass der Aufbau der ELF den Markt komplett verändert hat. Wenn man sich aber in der Situation der Grizzlies befindet, dürfte es kaum einfacher werden.
Grosse Lücken im Kader
Die Grizzlies wiesen in der Vergangenheit ein ca. 60-Mann-Roster auf. Die Abgänge zu den Guards könnten auf den ersten Blick zumindest von der Anzahl her verkraftbar sein. Schliesslich müssten genügend Reservespieler vorhanden sein, welche die Lücken schliessen könnten. Sofern nicht noch weitere Abgänge durch Rücktritte oder Transfers zu den Stammklubs erfolgen. Denn: Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich gerade die Grizzlies in den vergangenen Jahren gerne mit Spielern aus anderen Teams verstärkten. Ob diese angesichts der Herausforderungen auch 2023 wieder für die Grizzlies starten möchten?
Hilfreich könnten Übertritte aus der U19 sein – gemäss letztjähriger Spielerliste auf safv.ch dürften dies einige Spieler sein. Aber eben: Die Umwälzungen im Nachwuchsbereich dürfte in den letzten Wochen weitere Vorstands-Ressourcen gebunden haben. Nun konnte mit Claude Hagmann ein neuer U19 Head Coach gefunden und vorgestellt werden. Ein Probetraining für diese Kategorie ist angekündigt. In der ganzen Liga kämpfen die Clubs um Spieler für die U19…
Vorstand ist maximal gefordert
Zu beneiden ist der neue Vorstand des Schweizermeisters nicht. Die Baustellen sind zahlreich und die personellen Abgänge in der ersten Mannschaft werden die sportlichen Aussichten für das Team deutlich trüben. Was weder für die Akquisition von neuen Spielern oder eben auch Geldgebern hilfreich ist.
Durch den Abgang von Evans als Offensive Coordinator und Quarterback sind zwei weitere Vakanzen entstanden. Will man Evans 1:1 ersetzen, wird das Spieler-Angebot weiter eingegrenzt. Muss man neben dem Quarterback auch einen Offensive Coordinator verpflichten, wird das einerseits eine Frage der Finanzen und der Logistik (Hosting etc.) und andererseits auch eine Zeitfrage bis Bewilligungen und Visa erteilt sind.
Bis zur offiziellen 1. Runde sind es noch immerhin noch 70 Tage…
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