Ist die ELF langweilig? Ein Blick auf die Statistiken
Ein Gastbeitrag von Armand Mensen.
Die European League of Football (ELF) hat seit ihrer Gründung schnell Aufmerksamkeit erregt und zieht Fans aus ganz Europa und darüber hinaus an. Doch während die Liga bestrebt ist, sich zu etablieren, wächst die Kritik an der Qualität und Wettbewerbsfähigkeit ihrer Spiele. Eine der häufigsten Beschwerden ist, dass zu viele Spiele einseitig sind, mit deutlichen Punkteunterschieden, die die Partien weniger spannend und aufregend machen. Um dieses Problem zu untersuchen, haben wir die Punkteunterschiede während der Saison 2024 der ELF analysiert und mit der NFL-Saison 2023 verglichen. Dies ist das erste Mal, dass diese Statistiken offen gelegt werden, und sie scheinen die Kritik an der aktuellen Wettbewerbsfähigkeit der ELF zu bestätigen.
Verständnis der Punkteunterschiede in der ELF
Zuerst schauen wir uns die Daten der ELF-Saison 2023 an. Über 102 Spiele hinweg betrug der durchschnittliche Punkteunterschied 25.2 Punkte. Diese Zahl allein deutet darauf hin, dass Teams im Durchschnitt mit mehr als drei Touchdowns Vorsprung gewinnen. Dieser Durchschnitt liegt auch nahe am Median-Punkteunterschied von 25 Punkten, was bedeutet, dass die Hälfte der Spiele einen Punkteunterschied von mindestens 25 Punkten aufwies. Dieser hohe Median ist ein Hinweis auf ein weitverbreitetes Problem mit der Wettbewerbsbalance in der ELF.
Die Aufschlüsselung der Punkteunterschiede nach Spieltyp liefert zusätzliche Einblicke. In Spielen, bei denen beide Teams eine positive Bilanz hatten (W-W), betrug der durchschnittliche Punkteunterschied 12.2 Punkte, was relativ akzeptabel ist. Allerdings stieg der Punkteunterschied in Spielen, bei denen ein Team mit positiver Bilanz gegen ein Team mit negativer Bilanz antrat (W-L), auf durchschnittlich 32.6 Punkte an. Die besorgniserregendste Zahl zeigt sich in Spielen, bei denen beide Teams eine negative Bilanz hatten (L-L), wo der durchschnittliche Unterschied immer noch 21.5 Punkte betrug — was darauf hinweist, dass selbst Begegnungen zwischen schwächeren Teams weitgehend unkompetitiv waren.
Das obere Quartil — der Punkteunterschied, bei dem 75% der Spiele einen niedrigeren Unterschied aufwiesen — lag bei 37.8 Punkten für alle Spiele. Dies deutet darauf hin, dass ein Viertel der Spiele mit fast 40 oder mehr Punkten Unterschied endete, was die mangelnde Ausgeglichenheit weiter unterstreicht.
Betrachtet man Spiele mit einem Unterschied von einem Score (1-score game; definiert als ein Punkteunterschied von 8 oder weniger Punkten), so fielen nur 22% aller ELF-Spiele in diese Kategorie. Zwar gibt es durchaus spannende Spiele, aber sie sind rar gesät. Selbst wenn man die Analyse auf Spiele mit einem Unterschied von zwei Scores (Unterschiede unter 16 Punkten) ausweitet, steigt der Prozentsatz auf 38%, was bedeutet, dass über 60% der ELF-Spiele mit mehr als zwei Scores entschieden wurden — ein klares Zeichen dafür, dass viele Spiele einfach nicht wettbewerbsfähig sind.
Vergleich ELF vs. NFL: Eine Geschichte von zwei Ligen
Zum Vergleich können wir diese Zahlen mit der NFL heranziehen. Bekannt für ihre Wettbewerbsfähigkeit und spannenden Spiele, bietet die NFL einen deutlichen Kontrast zur ELF. Der durchschnittliche Punkteunterschied in allen 272 NFL-Spielen im Jahr 2023 betrug 11.3 Punkte, weniger als die Hälfte des ELF-Durchschnitts. Ebenso lag der Median-Punkteunterschied in der NFL bei nur 8 Punkten, was bedeutet, dass die Hälfte der Spiele mit einem Score oder weniger entschieden wurde.
Auch NFL-Spiele, bei denen beide Teams eine positive Bilanz hatten (W-W), waren knapp, mit einem durchschnittlichen Unterschied von 12.6 Punkten — vergleichbar mit der ELF — aber es ist wichtig zu beachten, dass dieser Durchschnitt deutlich sinkt, wenn man alle Spiele betrachtet, insbesondere im Vergleich zum ELF-Durchschnitt von 25.2 Punkten. Selbst Spiele zwischen Teams mit negativer Bilanz (L-L) in der NFL wiesen im Durchschnitt einen Punkteunterschied von 10.6 Punkten auf, immer noch deutlich wettbewerbsfähiger als vergleichbare ELF-Begegnungen.
In der NFL machten Spiele mit einem Score unglaubliche 50% aller Begegnungen aus. Das bedeutet, dass die Hälfte der Spiele mit einem Touchdown oder weniger entschieden wurde, was eine hochgradig wettbewerbsfähige und spannende Atmosphäre schafft. Wenn man dies auf Spiele mit zwei Scores ausweitet, fielen 71% der NFL-Partien in diese Kategorie, verglichen mit nur 38% in der ELF. Diese Zahlen verdeutlichen, warum die NFL Woche für Woche die Fans fesselt — der Großteil ihrer Spiele sind tatsächlich enge Wettbewerbe, mit wenig Raum für Vorhersehbarkeit.
Die Auswirkungen auf die ELF
Die Statistiken lassen wenig Zweifel: Die ELF kämpft mit ihrer Wettbewerbsbalance. Grosse Punkteunterschiede bedeuten, dass eine beträchtliche Anzahl von Spielen für die Fans nicht ansprechend ist, was zu einem schwindenden Interesse und potenziellen langfristigen Schäden für den Ruf der Liga führt. Eine Football-Liga lebt von Spannung und Unvorhersehbarkeit, und wenn die meisten Spiele frühzeitig durch einseitige Ergebnisse entschieden werden, wird die Liga Schwierigkeiten haben, eine treue Fangemeinde aufzubauen.
Obwohl diese Zahlen zunächst ein düsteres Bild zeichnen, bieten sie auch eine Chance für Wachstum. Die ELF steht noch am Anfang und kann Massnahmen ergreifen, um ihre Wettbewerbsbalance in Zukunft zu verbessern.
Potenzielle Verbesserungen für die ELF
- Gehaltsobergrenze und Spielerverteilung: Eine Möglichkeit, das Paritätsproblem anzugehen, besteht in der strengeren Durchsetzung einer Gehaltsobergrenze oder Erwerbsregeln für Spieler, um ausgeglichenere Kader sicherzustellen. Die Sicherstellung, dass das Talent gleichmäßiger auf die Teams verteilt wird, könnte helfen, die extremen Punkteunterschiede in Spielen zwischen siegreichen und verlierenden Teams zu verringern.
- Entwicklung lokaler Talente: Die Förderung der Entwicklung lokaler Spieler könnte ebenfalls das Wettbewerbsniveau verbessern. Durch Investitionen in Jugendprogramme und lokale Entwicklungsligen kann die ELF ihren heimischen Talentpool stärken und sicherstellen, dass mehr Teams auf hohem Niveau wettbewerbsfähig sind.
- Erweiterung des Playoff-Formats: Eine weitere Möglichkeit ist die Überlegung eines Playoff-Formats, das die Wettbewerbsfähigkeit der regulären Saison belohnt. Wenn mehr Teams eine Chance auf die Postseason haben, könnte die Liga weniger Teams erleben, die in längere Niederlagenserien verfallen, was zu engeren Spielen führt.
- Anpassungen im Spielplan: Die Liga könnte auch eine Reform des Spielplans in Erwägung ziehen, um während der Saison ausgeglichenere Begegnungen zu gewährleisten, insbesondere wenn die Diskrepanz zwischen den Spitzen- und den unteren Teams weiterhin ausgeprägt bleibt. Dies könnte die Einführung von abgestuften Divisionen oder gewichteten Spielplänen umfassen, ähnlich wie in der NFL.
Natürlich gibt es viele andere Aspekte, die eine Liga für Fans spannend machen, und die ELF hat grosse Fortschritte gemacht, eine europäische Präsenz für American Football zu etablieren. Mit kontinuierlicher Entwicklung hat sie das Potenzial, ein wettbewerbsfähigeres und spannenderes Produkt zu liefern. Indem sie das Problem der Punkteunterschiede angeht und sich um engere, spannendere Spiele bemüht, kann die Liga eine stärkere Basis für langfristigen Erfolg schaffen.
Gastbeitrag
Dies ist ein Gastbeitrag von Armand Mensen. Armand Mensen war Head Coach bei diversen Schweizer Teams. Beruflich ist er Scientific Officer und Deputy Director am Swiss 3R Competence Centre. Aus dem englischen Original übersetzt.
Bildquelle: Armand Mensen, publiziert auf medium.com.
Kontakt: mensen.football@gmail.com
LinkedIn: linkedin.com/in/armand-mensen-886618163
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